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Fraktur reden, das ist einfach. Fraktur schreiben hat seine Tücken. Fraktur ist die alte ›deutsche‹ Schrift mit den sonderbaren Großbuchstaben, die selbst die Fälscher der Hitlertagebücher in die Irre führten, die statt AH groß FH auf den Prunkband prägten.
Fraktur-Großbuchstaben sollte man nie hintereinander verwenden: BASF oder IBM sehen in Fraktur scheußlich aus. Man belasse sie besser in Antiqua, am schönsten in Kapitälchen.

Die Tücken des S
Es gibt in der deutschen Fraktur neben s und ß noch ein drittes s, das ›lange‹ ſ, wie das ß nur als Kleinbuchstaben. Dieses ſ, das aussieht wie ein f ohne Querstrich, ist sogar häufiger als unser übliches, schlangen-förmiges Schluß-s. In Unicode-HTML wird es mit ſ kodiert, sonst findet man es unter Einfügen, Sonderzeichen.
Das lange ſ steht im Anlaut, also vorne oder in der Mitte, in ›ſehen‹ und ›Erbſe‹, auch in festen Buchstabenverbindungen wie ›ſt‹ und ›ſp‹, zum Beispiel in ›zum Beiſpiel‹. Das Ringel-Schluß-s steht dagegen meist am Ende, im Auslaut von Silben, in ›Gans‹ und ›Riesling‹ etwa. Eine genaue Beschreibung findet sich im Duden unter ›Richtlinien für den Schriftsatz‹.

Werbegraphiker verzichten leider oft aus populistischen Gründen auf das lange ſ . So erkannte schon vor dreißig Jahren niemand mehr die orthographisch richtigen Oſtfrieſen mit langem ſ; man las stattdessen ›Oftfriefen‹ – was das Haus Teekanne veranlasste, das runde s mitten in den Frakturnamen ihres fixen Teebeutels zu setzen.
 
Ligaturen
 

Hat man das richtige s erwischt, ist die nächst höhere Kunst das Setzen von Ligaturen, engen Verbundbuchstaben, die in Fraktur beim ſt, ſs (sieht wie fs aus), ff, ch und ck und je nach Schrift bei manch anderen möglichen Unterschneidungen (englisch: kerning) vorkommen, damit sie wie aus einem Guß erscheinen und nicht nur wie zusammengeklebt. Unser ß ist so entstanden, als Ligatur von langem ſ mit rundem s, nicht mit z, wie viele glauben (obwohl’s ja danach aussieht und man auch SZ dazu sagt). Das hintere, runde Ligatur-s sieht oft wie eine zackige 3 aus und die nach der alten Rechtschreibung übliche Regel ›Trenne nie st, denn es tut ihm weh‹ leitet sich aus dieser Fraktur-Ligatur her.

Die Windows-Schriften lösen das Problem dieser zusätzlichen Buchstaben auf verschiedene Weise: Bei der fetten Fraktur gibt es zum Beispiel gleich zwei Schriften, eine mit dem langen ſ und eine mit dem runden s. Schriften mit dem Zusatz DFr enthalten das deutsche Fraktur-Layout.
Es empfiehlt sich, das Schreiben mit dem langen ſ aufzusetzen und anschließend überall dort auf die parallele Schriftart zu korrigieren, wo das runde s stehen muß. Vorteil des Verfahrens: die Rechtschreibkorrektur moniert nichts. Bei anderen, formal einfachen Schriften muß man über Einfügen Sonderzeichen das richtige s setzen. Auf jeden Fall sind auch Ligaturen möglich.
Für die kurzen, edlen Texte im gotischen Stil sollte man diesen Aufwand nicht scheuen – denn nichts ist schlimmer als eine lieblose s-Blamage in Fraktur. Selbst dem Brockhaus ist das in seinen Schriftmustern passiert: ›Meiſter‹ steht einmal zuviel mit rundem s, siehe Stichwort Schriften.


Weitere Feinheiten
Puristen erfreuen sich am schräg nach oben laufenden Doppelstrich, der für den Divis steht. Er wird als Silbentrennstrich oder Bindestrich in zusammen gesetzten Wörtern verwendet. Einige Frakturschriften haben auch einen einfachen angeschrägten Strich im Zeichensatz.

Nicht eingedeutschte Fremdwörter werden in lateinischer Schrift gesetzt: ›Die Unzialis war zeitweise in Deutschland sehr beliebt.‹
Diese Regel dürfte inzwischen zu einigem Kopfzerbrechen führen...

Im Bleisatz war es ueblich, verschiedene Größen einer Schrift zu erstellen, so genannte ›Bilder‹, die dem jeweiligen Verwendungszweck einer Schrift angepasst waren. So gibt es bei Delbanco Frakturschriften wie Claudius zum Beispiel in den ›Bildern‹
   Normal - für Schriftgrößen bis 14 Punkt
   Titel - für Schriftgrößen zwischen 14 und 30 Punkt
   Extragroß - für Schriftgrößen ab etwa 30 Punkt.
Damit ist gewährleistet, dass die Schriften möglichst originalgetreu dargestellt werden können.

Wem die Mühsal korrekter Fraktur-Schreibweise zuviel ist, der kann sich nützlicher Werkzeuge wie Frakturmeister oder spezieller Tastaturtreiber für Windows 95/98 bedienen, die auf den Deutschen Frakturseiten angeboten werden.

 
 
Diese Seite basiert auf dem gleichnamigen FAZ-Artikel von Fritz H. Jörn