Die Tücken des S
Es gibt in der deutschen Fraktur neben s und ß noch ein drittes s,
das lange ſ, wie das ß nur als Kleinbuchstaben. Dieses
ſ, das aussieht wie ein f ohne Querstrich, ist sogar häufiger
als unser übliches, schlangen-förmiges Schluß-s. In Unicode-HTML
wird es mit ſ kodiert, sonst findet man es unter Einfügen,
Sonderzeichen.
Das lange ſ steht im Anlaut, also vorne oder in der Mitte, in ſehen
und Erbſe, auch in festen Buchstabenverbindungen wie ſt
und ſp, zum Beispiel in zum Beiſpiel.
Das Ringel-Schluß-s steht dagegen meist am Ende, im Auslaut von Silben,
in Gans und Riesling etwa. Eine genaue Beschreibung
findet sich im Duden unter Richtlinien für den Schriftsatz.
Werbegraphiker verzichten leider oft aus populistischen Gründen auf
das lange ſ . So erkannte schon vor dreißig Jahren niemand mehr
die orthographisch richtigen Oſtfrieſen mit langem ſ; man
las stattdessen Oftfriefen was das Haus Teekanne veranlasste,
das runde s mitten in den Frakturnamen ihres fixen Teebeutels zu
setzen.
Ligaturen
Hat man das richtige s erwischt, ist die nächst
höhere Kunst das Setzen von Ligaturen, engen Verbundbuchstaben, die
in Fraktur beim ſt, ſs (sieht wie fs aus), ff, ch und ck und
je nach Schrift bei manch anderen möglichen Unterschneidungen (englisch:
kerning) vorkommen, damit sie wie aus einem Guß erscheinen und nicht
nur wie zusammengeklebt. Unser ß ist so entstanden, als Ligatur
von langem ſ mit rundem s, nicht mit z, wie viele glauben (obwohl’s
ja danach aussieht und man auch SZ dazu sagt). Das hintere, runde Ligatur-s
sieht oft wie eine zackige 3 aus und die nach der alten Rechtschreibung
übliche Regel Trenne nie st, denn es tut ihm weh leitet
sich aus dieser Fraktur-Ligatur her.
Die Windows-Schriften lösen das Problem dieser zusätzlichen
Buchstaben auf verschiedene Weise: Bei der fetten Fraktur gibt es zum
Beispiel gleich zwei Schriften, eine mit dem langen ſ und eine mit
dem runden s. Schriften mit dem Zusatz DFr enthalten das deutsche Fraktur-Layout.
Es empfiehlt sich, das Schreiben mit dem langen ſ aufzusetzen und
anschließend überall dort auf die parallele Schriftart zu korrigieren,
wo das runde s stehen muß. Vorteil des Verfahrens: die Rechtschreibkorrektur
moniert nichts. Bei anderen, formal einfachen Schriften muß man
über Einfügen Sonderzeichen das richtige s setzen. Auf jeden
Fall sind auch Ligaturen möglich.
Für die kurzen, edlen Texte im gotischen Stil sollte man diesen Aufwand
nicht scheuen denn nichts ist schlimmer als eine lieblose s-Blamage
in Fraktur. Selbst dem Brockhaus ist das in seinen Schriftmustern passiert:
Meiſter steht einmal zuviel mit rundem s, siehe Stichwort
Schriften.
Weitere Feinheiten Puristen erfreuen sich am schräg nach oben
laufenden Doppelstrich, der für den Divis steht. Er wird als Silbentrennstrich
oder Bindestrich in zusammen gesetzten Wörtern verwendet. Einige
Frakturschriften haben auch einen einfachen angeschrägten Strich
im Zeichensatz.
Nicht eingedeutschte Fremdwörter werden in lateinischer Schrift gesetzt: Die
Unzialis war zeitweise in Deutschland sehr beliebt.
Diese Regel dürfte inzwischen zu einigem Kopfzerbrechen führen...
Im Bleisatz war es ueblich, verschiedene Größen einer Schrift
zu erstellen, so genannte Bilder, die dem jeweiligen Verwendungszweck
einer Schrift angepasst waren. So gibt es bei Delbanco
Frakturschriften wie Claudius zum Beispiel in den Bildern
Normal - für Schriftgrößen bis 14 Punkt
Titel - für Schriftgrößen zwischen 14
und 30 Punkt
Extragroß - für Schriftgrößen
ab etwa 30 Punkt.
Damit ist gewährleistet, dass die Schriften möglichst originalgetreu
dargestellt werden können.
Wem die Mühsal korrekter Fraktur-Schreibweise zuviel ist, der kann
sich nützlicher Werkzeuge wie Frakturmeister
oder spezieller Tastaturtreiber für Windows 95/98 bedienen, die auf
den Deutschen Frakturseiten
angeboten werden.
Diese Seite basiert auf dem gleichnamigen
FAZ-Artikel von Fritz H.
Jörn