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traduction en français par
Thierry Segond
Der Begriff Fraktur wird in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet: zum einen sind damit Schriften gemeint, die seit dem 16. Jahrhundert entstanden sind, zum anderen ist Fraktur der Oberbegriff, mit dem alle gebrochenen Druckschriften bezeichnet werden. In der Aufteilung nach DIN 16518 finden wir die Hauptgruppe 10, Frakturschriften, unterteilt in a) Gotisch, b) Schwabacher und c) Fraktur.
Der Ausdruck Fraktur ist vom lateinischen Wort für ›Bruch‹ abgeleitet und besagt, dass die aus der Antike stammenden runden Linien der Buchstaben gebrochen wurden. Dieser Vorgang setzte bereits zu Beginn des 13. Jahr-hundert ein und hat seine Entsprechung in der Architektur, wo die romanischen Rundbögen gotisch gebrochen wurden. Beim Betrachten der Kathedralen von Chartres und Amiens wird deutlich, woher die Idee für die hohe und schmale gotische Schrift kam.
 
  In Nordfrankreich entstand die erste gotische Schrift, basierend auf der Unzialis und der karolingischen Minuskel. Johannes Gutenberg verwendete sie als erste Druckschrift des Westens in seiner 42zeiligen Bibel von 1455. Um 1470 erschien die zweite gebrochene Schriftgruppe, die Schwabacher. Sie ist vermutlich nach dem Ort bei Nürnberg benannt. Martin Luther, der mit seiner Bibelübersetzung zur Entstehung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache beitrug, gab ihr mit der Schwabacher eine vorzügliche Gestalt.
 
  Um 1500 wurde die eigentliche Fraktur nach einem Auftrag von Kaiser Maximilian I. in Augsburg entworfen. Zu ihren ersten Benutzern gehört Albrecht Dürer. Mit ihren feineren Buchstaben gewinnt sie rasch Freunde im deutschen Sprachraum, doch auch im benachbarten östlichen und südöstlichen Europa sowie in Skandinavien findet sie starke Verbreitung. Im romanischen Sprachraum setzt sich die eher gemäßigte Variante der Rotunda durch.
 
Die deutsche Schrift?
Bis ins 20. Jahrhundert wurden nun anfangs alle, später die weitaus meisten Texte in Fraktur gesetzt. Da deutsche Schriftgießereien und Druckereien eine herausragende Stellung einnahmen, wurde die Fraktur oft als ›deutsche Schrift‹ bezeichnet. Dieser Ausdruck tauchte am Ende des 15. Jahrhundert in Oberitalien auf. (»Lettera Tedesca«). Als ›deutsche Schrift‹ im Sinne einer in Deutschland entwickelten und überwiegend für deutsche Texte benutzten Schrift können eigentlich nur die Schwabacher und die Dürer-Fraktur bezeichnet werden.
 
  In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass mit dem Begriff ›Deutschland‹ ein Kultur- und Sprachraum bezeichnet wurde, lange bevor es den Nationalstaat gab. In dieser früheren Bedeutung verstand man unter ›Deutschland‹ oder ›deutschsprachiger Raum‹ seit dem 15. Jahrhundert zeitweise Teile Böhmens, Frankreichs, Polens, der Niederlande, Österreich-Ungarns, Luxemburgs, Schleswigs und der Schweiz neben dem eigentlich mit ›Deutschland‹ belegten Gebiet. Erst 1871 gründete einer Gruppe unabhängiger Staaten das Deutsche Reich unter dem König von Preußen, das - mit einigen durch Krieg und Reparationen bedingten neuen Grenzziehungen - bis 1945 bestand.
 
 

Bis zum 19. Jahrhundert wurden neue, immer besser lesbare Frakturschriften entwickelt, bei denen auch die Schönheit nicht zu kurz kam. Die Fraktur entwickelte sich zu einem Kunstwerk von höchster Zweckmäßigkeit. Zwischen 1895 und 1940 erreichte die Schriftkunst generell einen Höhepunkt ihrer Entwicklung.

Vorteile der Fraktur
Die Vorzüge einer guten Frakturschrift beruhen hauptsächlich auf vier Eigenschaften, mit denen sie sich von der Antiqua unterscheidet:

  1. Mehr Buchstaben haben Ober- oder Unterlängen, sie ragen damit aus der Zeile hinaus.
  2. Die Buchstaben unterscheiden sich stärker voneinander, besonders die Großbuchstaben.
  3. Die meisten Frakturschriften laufen schmaler, wodurch das Lesen längerer Silben - weit verbreitet in der deutschen Sprache - erleichtert wird. Besonders platzsparend wirkt sich das lange s aus.
  4. Das Schluss-s zeigt durch seine auffallende Form deutlich das Ende eines Wortes an; in der Mitte weist es auf die Nahtstelle eines zusammengesetzten Wortes hin.
 
Was ist aus der Fraktur geworden?
Am 03.01.1941 teilte Martin Bormann den Dienststellen der Partei in einem »nicht zur Veröffentlichung« bestimmten Erlass »im Auftrag des Führers« mit, die »sogenannte gotische Schrift« sei keine deutsche Schrift, vielmehr handele es sich um eine Erfindung der Juden (Bormann: »Schwabacher Judenlettern«). In Schrift und Druck dürfe daher nur noch die (lateinische) Normalschrift verwendet werden.
So verschwand die Fraktur aus Zeitungen, Zeitschriften, (Schul-) Büchern und Lehrplänen. Heute gilt das Verbot nicht mehr, aber kein Kultusminister ist bereit, der Frakturschrift einen zum Überleben erforderlichen Platz an den Schulen einzuräumen.
»Manche Völker halten streng an ihrer überkommenen Schrift fest, ohne die Verbindung zur übrigen Welt zu verlieren.« (Alfred Geißler). Manch anderen fehlt es an kulturhistorischem Selbstverständnis.
   
traduction en français par Thierry Segond